2012
domenica
aprile
22

2012 - Das Jubiläumsjahr der Stadt Enns

Enns

800 Jahre Stadtrechtsurkunde
Die Stadtrechtsurkunde von Enns wurde am 22. April 1212 in Enns ausgestellt, sie trägt an gelbweißen Seidenfäden das Siegel Herzog Leopold VI. Die Urkunde wird als größter archivalischer Schatz der Stadt im Museum Lauriacum aufbewahrt. Eine erste deutsche Übersetzung der lateinischen Urkunde stammt von Hanns von Munspach aus dem Jahr 1397.

Die in ihr angeführten Bestimmungen betreffen vorwiegend straf- und erbrechtliche Themen, doch sind auch Angaben zur Verfassung und Verwaltung der Stadt aufgenommen.

Die ersten Absätze des Stadtrechtes behandeln die Bestrafung von Gewalttaten, die den Tod oder zumindest schwere Verletzungen zur Folge hatten. Die Buße für den Täter ist nach seinem Vermögen gestaffelt und richtet sich nach der sozialen Stellung des Opfers. Wer beispielsweise seine Dienstleute schlägt, braucht sich nicht vor dem Richter zu verantworten. Wenn man das festgesetzte Bußgeld nicht aufbringen kann, kommt der alte Rechtssatz "Aug um Aug, Zahn um Zahn" zur Anwendung. Umfangreich sind auch die erbrechtlichen Bestimmungen. Beim Tod eines Bürgers erben Frau und Kinder ohne jede Einmischung von seiten des Stadtherren oder des Stadtrichters. Über seinen Nachlass kann ein Bürger, wenn keine direkten Erben da sind, testamentarisch frei verfügen. Stirbt ein Bürger, ohne ein Testament gemacht zu haben, dann erben die nächsten Verwandten, wenn sie zum Herrschaftsbereich des Stadtherrn gehören, wenn nicht, fällt die Hälfte des Erbgutes an den Herzog. Die Hinterlassenschaft von in Enns verstorbenen Fremden ist ebenfalls genau geregelt. Danach befassen sich die rechtlichen Bestimmungen mit dem Hausfrieden, die Strafe für das Eindringen in ein fremdes Haus wird festgesetzt, und mit dem Friedensbereich der Stadt, das bedeutet, es ist den Bürgern erlaubt, einen Fliehenden vor seinen Verfolgern zu schützen, wenn er das Stadtinnere erreicht. Die Aufnahme unter die Bürger von Enns behält sich jedoch der Herzog vor. In verwaltungstechnischer Hinsicht wird festgehalten, dass sich ein sechsköpfiger Stadtrat um die wirtschaftlichen Belange, die Regelung des Markt- und Handelsgeschehens, zu kümmern hat. Gegen die von ihm gefassten Beschlüsse hat der Stadtrichter kein Einspruchsrecht. Für alle Rechtsangelegenheiten ist der Stadtrichter zuständig. Schließlich erklärt der Herzog, jene Bürger, die ein Wappen führen, Pferd und Rüstung besitzen, nicht zum Kriegsdienst einzuziehen. Vielmehr sollen sie gegebenenfalls die Stadt verteidigen und sonst ihrer Beschäftigung nachgehen.

Dieses älteste, im Original erhaltene Stadtrecht Österreichs kann als Muster für die nachfolgenden Stadtrechte der Babenberger und Habsburger angesehen werden. Wir stehen mit diesem Text am Beginn der städtischen Geschichte und Entwicklung in Österreich.